INTERVIEW MIT PRODUZENT
LEOPOLD HOESCH

BROADVIEW Pictures hat mit Ein amerikanischer Held – Die Geschichte des Colin Kaepernick und Breath of Freedom bereits zwei viel beachtete Dokumentationen zum Thema Rassismus vorgelegt. Warum nun SCHWARZE ADLER?


Mit SCHWARZE ADLER liefern wir einen deutschen Blick auf das Thema Rassismus und Sport. Der US-Footballstar Colin Kaepernick wurde mit einer simplen Geste weltberühmt und setzte sich damit gegen Rassismus und systematische Polizeigewalt in den USA ein. Das Pikante daran: Er tat es im Rahmen eines Footballspiels – dem patriotischen Event schlechthin in den USA. In Deutschland wiederum ist Fußball das, was in den USA Football ist – Volkssport und nationales Ereignis. In SCHWARZE ADLER erzählen wir die Geschichte von Schwarzen Fußballnationalspielern und -spielerinnen, ihrem Weg in das Nationaltrikot, ihren Schwierigkeiten und ihren Erfolgen. Dabei erzählt der Film auf sehr emotionale Weise Geschichten des Alltags- Rassismus, von dem es auch in Deutschland viele Formen gibt, auch wenn er von einer großen schweigenden Mehrheit abgelehnt wird.

Mit Kroos haben Sie bereits Einblick in das Profi-Fußballgeschäft gegeben. Wie ist der Ansatz bei SCHWARZE ADLER, was ist anders?


Beim Kinofilm Kroos hatten wir nur eine Hauptfigur, die uns ihr Leben erzählt. Sein Umfeld, Personen wie Zinédine Zidane, Pep Guardiola, Luka Modrić und Fußballexperten wie Marcel Reif haben uns geholfen, das einzuordnen. Bei SCHWARZE ADLER haben wir viele Protagonisten, die ähnliche Erfahrungen verbinden. Das Besondere an diesem Film ist, dass wir ausschließlich sie selbst zu Wort kommen lassen, keine Experten, keine Beobachter, keinen Kommentar-Sprecher. Allein unsere Protagonisten stellen ihre Sicht der Dinge, unterlegt mit Archivmaterial, aus ihrer Perspektive dar – eine Perspektive, der in Deutschland bislang keine konsistente Stimme gegeben und die zu wenig gehört wurde. Das ist wirklich neu bei diesem Film.

BROADVIEW Pictures verbindet mit Torsten Körner eine lange Zusammenarbeit. Wie kam es zur Entstehung und gemeinsamen Arbeit an SCHWARZE ADLER?


Nach dem Film über Angela Merkel (Die Unerwartete, 2016) haben wir mit Torsten Körner viele Jahre an Die Unbeugsamen (Kinostart 2021) gearbeitet, ein Film über Diskriminierung von Politikerinnen in der Bonner Republik von 1949 bis 1989. Neben der Liebe zu guten Filmen verbindet uns mit Torsten auch die Begeisterung für Fußball. Als er einen Film über Rassismus in Deutschland anbot, exemplarisch erzählt an den deutschen Schwarzen Fußball-Nationalspielern, waren wir im Team ziemlich begeistert. Fußball ist als Massenphänomen eine Plattform, die in der Öffentlichkeit stark wahrgenommen wird und in den Medien sehr präsent ist. Für bestimmte Menschen somit ein idealer Ort, andere dort rassistisch zu beleidigen und mit Gesten und Handlungen zu diffamieren. Es geht diesen Leuten nicht um den Sport, sondern darum, eine Plattform für ihre Zwecke zu missbrauchen und zu manipulieren. Das drehen wir mit diesem Film um und zeigen die Konsequenzen ihres frevelhaften Handelns. Wir hoffen, dass in diesem Fall die Plattform „großer Sport“ für mehr Gerechtigkeit durch Erkenntnisgewinn arbeitet.

Filme wie Kroos, aber auch Nowitzki und Klitschko haben Sie für das Kino produziert. Nun der Weg mit Amazon Prime und dem ZDF – was ist hier der Ansatz?


Wir wollten vor der EM 2021 beim Publikum sein und haben uns daher ganz bewusst für die Erstveröffentlichung im Streaming (Amazon Prime und ZDFmediathek) zusammen mit einer Free- TV-Premiere im ZDF entschieden. In der aktuellen Situation hat das für uns absolut Sinn gemacht. Wobei ich die Haltung habe, dass man einen „Kinofilm“ unabhängig davon produzieren kann, wo er zu sehen ist – es kommt auf die Machart an, und die ist bei SCHWARZE ADLER ganz klar „Kino“. Grundsätzlich schafft ein neues Medium eigentlich immer einen neuen, ganz eigenen Markt, ohne zwingend den alten funktionierenden Markt kaputt zu machen. In meinen Augen etabliert das Streaming – und dabei insbesondere Amazon Prime und Netflix sowie die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender – einen solchen neuen Markt. Kino leidet im Moment unter dem Aufführungsverbot und nicht unter Streaming. Fällt das Verbot weg, wird der Kinomarkt bärenstark zurückkommen. Bei den Leuten gibt es einen gewaltigen Nachholbedarf.

Was kann man in den nächsten 18 Monaten von BROADVIEW Pictures erwarten?

Neben den SCHWARZEN ADLERN für Amazon Prime und ZDF bereiten wir zusammen mit der ARD (MDR) und ARTE einen zweiten Film über Angela Merkel vor, der nach ihrer Amtszeit weltweit veröffentlicht wird. Mit dem ZDF und weiteren internationalen Partnern arbeiten wir an der Dokumentation Covid Century, die globale Geschichte um Ausbreitung und Umgang mit dem Corona-Virus. Ferner arbeiten wir an Filmen über Doppel-Olympiasieger Edwin Moses und Surf- Weltmeister Sebastian Steudtner sowie für ARTE an einem Film über die Geschichte der Atomkraft.